Selbstüberschätzung: Wie sag ich’s dem Mitarbeiter?

Ich weiß das, ich kann das, ich bin der Beste. Viele Menschen schätzen ihre Kompetenzen nicht richtig ein. Was können wir tun, wenn uns das bei Mitarbeitern, bei Kollegen oder Freunden auffällt? Sollen wir darauf hinweisen, dass sie sich selbst überschätzen, und wenn ja, wie? Schmälern Feedback und Kritik nicht unnötig das Selbstbewusstsein? Oder ist es vielleicht umgekehrt: Können wir erst im Wissen um unsere Schwachstellen erfolgreich sein?

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Kennst du das: Die einen ärgern sich über ihr zurückhaltendes Auftreten, dabei werden sie von vielen um ihre Entschlossenheit beneidet? Die anderen muten sich ständig Dinge zu, die sie überfordern, sind selbst aber überzeugt, es besser zu wissen und zu können als ihre Mitmenschen?

Tatsache ist, dass die meisten Menschen ein verzerrtes Bild von sich selbst haben. Ob das das Autofahren betrifft, einen IQ-Test oder die Leistungen am Arbeitsplatz. Und sie können es nicht korrigieren, weil sie überhaupt nichts davon wissen. Sie kennen sich selbst nicht. Oder anders gesagt: Sie sind sich ihrer selbst nicht bewusst!

Ich sehe was, was du nicht siehst

Grund dafür ist die Kluft zwischen Selbstbild und Fremdbild. Selbst nehmen wir uns so wahr, wie wir gerne wären. Wir haben eine Wunsch- oder Idealvorstellung von uns. Das Bild, das sich andere von uns machen, ist dagegen ein Spiegelbild von deren Bewertungen, Erfahrungen, Gefühlen und Vorstellungen.

Die Bilder hängen zusammen wie zwei Seiten derselben Medaille, sie beeinflussen sich: Wir werden zum Beispiel mutiger, indem uns unsere Mitmenschen das spiegeln; oder entmutigt, wenn sie uns etwas nicht zutrauen. Wie eine selbsterfüllende Prophezeiung. Ob du glaubst, dass du etwas kannst, oder ob du das nicht glaubst – du wirst recht behalten.

Massenphänomen Selbstüberschätzung

Generell tendieren wir dazu, unser Selbstbild zu beschönigen. Daher ist Selbstüberschätzung so ein verbreitetes Phänomen. Das hat natürlich Auswirkungen auf unseren Alltag – positive wie negative. Zum Beispiel soll Selbstüberschätzung das Selbstbewusstsein stärken. Was für ein Blödsinn! Echtes Selbstbewusstsein kann nur auf tatsächlichen Fähigkeiten beruhen.

Wer nicht weiß, was er kann und was nicht und sich deswegen selbst überschätzt, ist alles andere als selbstbewusst. Zwar strahlen Menschen, die von sich überzeugt sind, eine gewisse Kompetenz aus – was sowohl privat als auch beruflich nützlich sein kann –, doch die haben sie gar nicht wirklich! Weil sie sich aber darauf verlassen, bauen sie ihre tatsächlichen Kompetenzen nicht aus.

Soll ich was sagen?

Was mache ich nun als Chef, wenn das eine Mitarbeiterin oder einen Mitarbeiter betrifft? Einen Kollegen, Freund oder Bekannte? Wie sage ich’s derjenigen Person? Dass sie vielleicht doch nicht so gut ist, wie sie glaubt. Sag ich’s überhaupt?

Die Antwort ist Ja. Denn mit Menschen, die sich unwissentlich für stärker, schlauer oder besser halten, sind Probleme und Konflikte vorprogrammiert. Zur Regulierung ihres Selbstbildes brauchen sie das Fremdbild. Was solltest du also tun? Was hilft da? Aus meiner Sicht nur Feedback.

Feedback hilft

Feedback bedeutet Rückkoppelung – wörtlich „Zurückfüttern“ – von und mit Informationen, die ein anderer selbst nicht sehen konnte. Bitte aber nicht im Sinne des schon schimmeligen „Feedback-Burgers“, bei dem die „würzige“ Kritik zwischen leicht verdaulichen Beobachtungshälften liegt.

Immerhin geht es nicht darum, jemandem zu schmeicheln. Sondern der Person wahrhaftig zu helfen, damit ihr Selbstbild näher an die Wirklichkeit kommt. Voraussetzung dafür ist ein qualitativ hochwertiges Feedback. Sowohl positive als auch negative Aspekte haben ihre Berechtigung, wenn sie aufrichtig gemeint sind.

Was soll ich sagen?

Gib der Person eine ehrliche und ungeschönte Rückmeldung in einem Feedbackgespräch:

  1. Was war aus deiner Sicht gut an einem Verhalten/Prozess? Was war ok?
  2. Wo hast du Tipps? Was kann sie oder er machen, dass sich ein Verhalten/Prozess/Ergebnis verbessert?

Feedback geben heißt nicht 

  • jemanden zu analysieren, sein Verhalten zu interpretieren oder (unnötig) zu kritisieren;
  • „du bist“ zu formulieren, sondern: „Ich habe gesehen ...“;
  • zu beschreiben, wie etwas angekommen ist: Persönliche Empfindungen solltest du möglichst außen vor lassen. Es ist irrelevant, was jemand für ein Gefühl bei dir auslöst. Stattdessen muss derjenige wissen: Was kann er gut? Und wo oder wie kann er sich verbessern?

Selbsteinschätzung ist die Basis für Erfolg 

Feedback hilft, dass Menschen ihre Kompetenzen besser einschätzen können. Erst im Abgleich mit der Einschätzung anderer kann sich die eigene Wahrnehmung verbessern.

Je bewusster sich die Mitarbeiter (angenommen, es sind Verkäufer) ihrer Stärken und Schwächen sind, umso authentischer werden sie handeln. Ist das der Fall, wird ihr Selbstvertrauen stabiler. Und wer sich selbst vertraut, der wird schließlich selbstsicher. Eine gesunde Selbsteinschätzung stärkt also nachweislich das Selbstbewusstsein, das Selbstvertrauen und die Selbstsicherheit – in genau der Reihenfolge.

Und jetzt kommt’s, liebe Freunde: Selbstsicherheit ist das, was man kauft bei anderen Menschen! Sie ist der Ausgangpunkt jeder persönlichen Entwicklung sowie beruflicher und privater Erfolge. Wenn es heißt, „das kauf ich dem nicht ab“, bedeutet das nichts anderes, als dass die Person zu wenig Selbstsicherheit ausstrahlt. Wie selbstsicher bist du dir?