Zeit für einen Mutausbruch

In der heutigen Arbeitswelt stehen Beschäftigte oft unter hohem Druck. Besser, schneller, effizienter, höher, weiter – die Anforderungen steigen kontinuierlich. Immer mehr und immer schlauere Technik bestimmt dabei unseren Alltag. Deren Intensität, Tempo und die Sorge, dass sie uns bald nicht mehr nur nutzt, sondern gänzlich ersetzt, können uns an unsere Grenzen bringen. Und manchmal weit darüber hinaus.

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In den letzten Jahrzehnten hat sich ein Wandel von der Produktion zur Information als tragender ökonomischer Kraft vollzogen. Nach der Dampfmaschine, der Eisenbahn und dem Auto haben nun Informations- und Kommunikationstechnologien das Alltags- und Arbeitsleben des 21. Jahrhunderts in komplett neue Bahnen gelenkt. Die Schnelligkeit, mit der sich dieser Wandel vollzieht, ist für die meisten Menschen neu.

Dermaßen zügige technische und gleichzeitig gravierenden gesellschaftliche Veränderungen hat es nie zuvor in der Geschichte gegeben. Viele haben daher das Gefühl, kaum mehr „mitzukommen“, vor allem die älteren Generationen. Aber auch immer mehr unter Dreißigjährige fühlen sich gehetzt, gestresst und sogar ausgebrannt.

Über Grenzen gehen

Kennzeichnend für unsere Zeit ist auch die extreme Leistungsorientierung. Sie beginnt oft schon in der Kindheit, etwa im Rennen um die begehrtesten Ausbildungs-, später Arbeitsplätze. Vor lauter Leistungs- und Erfolgsdruck gehen manche bis an den Rand der Erschöpfung und dabei regelmäßig über ihre eigenen Grenzen.

Über seine Grenzen zu gehen, ist an sich kontraproduktiv, anstrengend und laugt auf Dauer aus. Manches Mal ist es aber unausweichlich, besonders in Momenten der Krise; wenn Unerwartetes passiert, unsere Realität auf dem Kopf steht und bewährte Strategien auf einmal unbrauchbar sind wie bei Krieg, Krankheit, Naturkatastrophen oder persönlichen Lebenskrisen.

Modewort Resilienz

Dem plötzlichen Druck und der extremen Beanspruchung in solchen Ausnahmefällen kann der am besten trotzen, der die eigenen Grenzen kennt und wahrnimmt. Leider kennen viele Menschen ihre Grenzen nicht. Sie sind weniger resilient. Was bedeutet das?

Der in Mode gekommene Begriff Resilienz beschreibt die besondere Kraft unserer Psyche, Belastungen auszuhalten bzw. uns wieder davon zu erholen. Er kommt vom lateinischen resilire, was so viel heißt wie abprallen, zurückspringen oder, dass etwas nicht anhaftet. Ein resilienter Mensch lässt sich also von Schicksalsschlägen nicht komplett aus der Bahn werfen. Er kommt leichter wieder auf die Beine und bewältigt sein Leben wie vorher.

Resilienz trainieren

Bestimmte individuelle Eigenschaften deuten darauf hin, dass du eine gute Resilienz hast. Dazu gehören Optimismus und Akzeptanz, Lösungsorientierung, das Verlassen der Opferrolle, der Faktor Beziehungen, Selbstwirksamkeit, -reflexion und schließlich Verantwortung. Diese Faktoren kannst du auch trainieren, um auf natürliche Weise resilienter zu werden.

Die Stärkung unserer Resilienz zielt aber nicht darauf ab, dass wir noch mehr Belastungen auf uns laden können. Wir sollen nicht deshalb widerstandsfähiger werden, um mehr von dem auszuhalten, was nicht gut für uns ist. Es gibt eindeutig einen Zusammenhang zwischen Burnout und unserer „Bestimmung“. Ich kann das regelmäßig bei Teilnehmern meiner Seminare und Coachings beobachten, die nicht ihrem Antrieb folgen.

Das hört natürlich niemand gern von mir, schließlich bin ich kein Arzt oder Experte. Inzwischen gibt es aber genügend Anhaltspunkte dafür, dass die körperliche und seelische Erschöpfung nicht (nur) von einer Überforderung bei der Arbeit oder den täglichen Verpflichtungen kommt. Sondern dass sie vor allem davon verursacht wird, dass wir nicht so leben, wie wir unbewusst leben wollen.

Lebensmut kannst du nicht kaufen

Mir geht es daher darum, eine andere Einstellung zu vermitteln und eine ausgeprägt lebensmutige Haltung zu propagieren – das meint Resilienz! Lebensmut heißt nicht Mutigsein, eine Mutprobe bestehen oder sich etwas trauen, das wir uns normalerweise nicht trauen. Es ist vielmehr der Mut, das Leben nach den eigenen Vorstellungen zu leben, anstatt uns in der stillen Wut über die Lebensumstände zu verlieren. Nach dem Motto: Mehr Mut statt Wut!

Viele von uns tun das nicht aus Existenzangst oder weil sie Auseinandersetzungen und Konflikte fürchten. Wir leben ja in einer generellen „Kultur der Unsicherheit“. Um das aufzulösen, müsste sich jeder erst einmal allein in sein Zimmer sperren und sein Innerstes nach außen kehren. Und anschließend mit Eigenverantwortung und Selbstachtung neu auffüllen. Bist du bereit dazu, bist du so mutig?

Die folgenden Punkte helfen dir festzustellen, ob du am richtigen Weg bist. Frage dich:

1. Bist du in der richtigen Rolle?

Trägst du deine eigene Verantwortung? Kennst du deine Motive und inneren Treiber? Stehst du dir selbst im Wort und für deine Ergebnisse ein? Oder übernimmst du womöglich auch die Verantwortung für die Ergebnisse anderer? In diesem Fall steckst du in einer „falschen Rolle“, beispielsweise der Rolle eines Elternteils für einen Freund oder Partner. Das kostet dich unnötige Ressourcen.

Auch auf das richtige Maß kommt es an: Zu viel Eigenverantwortung kann womöglich in Ehrgeiz umschlagen. Übertrieben aufstrebende Menschen sind anfällig dafür, daran regelrecht auszubrennen; weil sie ihren natürlichen Antrieb nicht bemerken oder absichtlich ignorieren. Zu wenig Eigenverantwortung macht dich bequem und lässt dich deine Treiber vergessen. Die Komfortzone ist bekanntlich der Ort, wo die meisten ihre Träume beerdigen.

2. Welche Glaubenssätze hast du in dir?

Glaubenssätze können förderlich sein bei der Verfolgung eines Ziels oder einer Vision, oder einfach nur, um das Leben leichter zu meistern. Falsch sind dagegen alle Aussprüche und Dogmen, die dich hindern statt fördern. Ersetze sie ausnahmslos durch positive. Ich gebe dir ein paar Beispiele:

Einer meiner Glaubenssätze lautet „ich kann das“ bzw. „ich schaffe das“. Ein anderer, den mir einer meiner jahrelangen Mentoren vermittelt hat: „Mir fällt immer das Richtige ein und das Richtige zu.“ Das bedeutet übersetzt, ich darf an mich glauben. Und du darfst das auch.

Es gibt auch beispielsweise keinen vernünftigen Grund sich zu entschuldigen, wie man es oft erlebt: Der Kellner kommt zum Tisch, möchte mir etwas anbieten und sagt: „Entschuldigen Sie bitte ...“ Das kann sich doch nur negativ auf sein Unterbewusstsein auswirken? Wenn er das einmal macht, okay; aber wenn er das 20 Mal macht, oder 20.000 Mal – sich ent-schuldigt, weil er glaubt, es sei höflich, weil er störe.

Also, ich störe nicht! Wenn du meinen Podcast nicht hören willst, dann schalte ab. Ich habe nicht das Gefühl, dass ich durch meine Aktivität irgendjemand störe. Ich höre das aber öfters: Du bist so laut, du bist zu viel, das ist übertrieben ... Das alles sind nicht meine Glaubenssätze, sondern die der anderen Leute.

3. Wie sehr beeinflussen dich andere Meinungen?

Besonders hinderlich auf deinem Weg sind generell die Meinung anderer sowie deren Erwartungen, die du vielleicht befriedigen willst. Die Konditionierung auf das Gefallenwollen, das so genannte people pleasing, solltest du abstreifen. Denn es geht gerade nicht um andere Menschen – weder darum, ihnen zu gefallen, noch ihnen einen Gefallen zu tun.

Es geht in erster Linie darum, dir selbst zu gefallen und deine eigenen Bedürfnisse zu achten und zu befriedigen; das heißt, das zu tun, was du wirklich brauchst. Achtung, das ist nicht immer das, was du gerade tun willst!

Zeit für einen Mutausbuch

Resilienz ist kein Zustand, den du erreichen kannst. Es ist ein dynamischer, wahrscheinlich lebenslanger Prozess. Und er erfolgt im Wechselspiel von dir, deinem Umfeld und der gesamten Gesellschaft. In der unseren herrscht allerdings eine Mentalität vor, die Resilienz nicht unbedingt fördert. Sie ist von Angst, Unsicherheit und Obrigkeitshörigkeit geprägt. Das musst du durchbrechen, wenn du resilient sein möchtest.

Dafür solltest du dich stark mit dir selbst beschäftigen, nicht nur mit deinen Glaubenssätzen, sondern mit allem, was dir widerfährt; womöglich sogar zurückgehen zu deinen familiären Wurzeln, zur eigenen Geschichte. Wer das aufarbeiten kann und will, der wird die Früchte ernten. Es ist jedenfalls eine sinnvolle Option, die du nutzen kannst, um deinem Leben mehr Stabilität und gleichzeitig Flexibilität zu verleihen.

Dann kannst du deine eigene Entwicklung an den laufenden Veränderungen und, ja, auch an Krisen deines Lebens voranbringen. Weil das Leben ist bekanntlich ein Hit und das wünsche ich dir: Dass du auch resilient durch weniger hitverdächtige Phasen gehen kannst!

Regelmäßige Impulse bekommst du auch in meinem Podcast!