Home/Office: Was soll das sein und wie kann es klappen?

Es ist schon ein legendärer Ort. Hier wird gelebt, geliebt, gekocht und gegessen, gefeiert, gespielt, hier und da gebellt oder gemaunzt, gewaschen, gechillt, geschlafen ... und neuerdings auch immer öfter gearbeitet. Man nennt ihn: Homeoffice. Allerdings nur bei uns, wirklich englisch ist das Wort nicht. Wer Anglizismen liebt, denkt sie sich eben aus. Woran viele nicht denken, sind die Rahmenbedingungen, damit das Arbeiten daheim funktionieren kann.

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Arbeiten von zu Hause aus

Das Konzept Homeoffice erfreut sich zunehmender Beliebtheit. In der „Corona-Zeit“ zum Wort der Stunde geworden, ist es für viele Menschen nicht mehr wegzudenken. Ein oder mehrere Tage pro Woche arbeiten sie von zu Hause aus. Natürlich nur die, die nicht wo anders gebraucht werden. Und es arbeitet längst nicht jeder gut und gerne in seinem Zuhause.

Oft liegen deswegen Freud und Leid im Homeoffice näher beisammen als Tisch und Bett. Wer trägt die Verantwortung dafür? Manche Arbeitgeber halten sich komplett raus, dabei spielen sie aus meiner Sicht eine zentrale Rolle. Welche Vorgaben sollten sie machen? Wie kannst du als Unternehmer deine Mitarbeiter unterstützen? Welches Thema liegt dem Dilemma überhaupt zugrunde?

Entweder-oder

Vielleicht bist du ja selbst gerade im Homeoffice. Dann frage ich dich: Was soll das bitte sein? Die seltsame Wortschöpfung erschwert uns die Definition. Da sitzen Leute an ihrem Esstisch, auf der Couch oder dem Bett, in der Küche, in Wohn-, Schlaf-, Gästezimmer oder am Balkon. Vor ihnen der Laptop, rund um sie Kissen, Katzen, Kochgeschirr und manchmal auch noch Kind und Kegel.

Ist das nun ein Home – ein Heim, ein Rückzugsort, wo dein privates Leben stattfindet? Oder ist es ein Office – ein Büro oder Arbeitsplatz in halbwegs professioneller Atmosphäre? Tatsache ist: Die wenigsten, die „Homeoffice machen“, haben wirklich eines. Das ist es, was viele Unternehmer nicht sehen. Was Missverständnisse und die ewige Debatte anheizt: Sollen wir Homeoffice ermöglichen? Ist das gut oder schlecht?

Pro und Kontra

Zunächst einmal ein paar Vorteile: Wer im Homeoffice bleibt, hat kürzere Wege. Nicht nur zur Arbeit, sondern oft auch zum Einkaufen, zu Kindergarten oder Schule, zum Sport usw. Dadurch ergibt sich eine Flexibilität und Zeitersparnis, die allen zugutekommt.

Manche ersparen sich auch das ordentliche Ankleiden – wenigstens vom Bauchnabel abwärts. In den sozialen Medien kursieren genügend Videos, die das dokumentieren; da steht jemand in der Videokonferenz vom Stuhl auf und merkt an den Gesichtern der anderen, „Ich trage nur Boxershorts!“

Wo Vorteile sind, gibt es natürlich auch Nachteile. Unter anderem weniger Aufmerksamkeit und schlechtere Konzentration, wenn neben der Arbeit der Kanarienvogel pfeift oder die Waschmaschine schleudert. Verloren geht auch viel an qualitativer Kommunikation und Verständigung mit Kollegen und Vorgesetzten. Und manch einer bezahlt für die Möglichkeit des Homeoffice sogar mit dem inneren Gleichgewicht. Warum ist das so?

Ort der grenzenlosen Möglichkeiten

Die Idee vom Homeoffice als semi-private Außenstelle einer Firma erscheint ja in vielerlei Hinsicht grenzgenial. Nur dass sich Probleme genau aus diesem Grund ergeben können: scheinbarer Grenzenlosigkeit! Dadurch kommt es dauernd zu potenziellen Überschreitungen der räumlichen, zeitlichen und persönlichen Grenzen.

Erfahrungsgemäß hat ca. ein Drittel der Leute kein Problem damit; ihnen geht es sehr gut bis gut im Homeoffice. Ein Drittel der Mitarbeiter langweilt sich vielleicht daheim; es macht für sie aber keinen wesentlichen Unterschied, wo sie arbeiten. Wer zum letzten Drittel gehört, kommt nicht so gut zurecht und braucht wahrscheinlich mehr Führung bzw. Unterstützung bei der Umsetzung. Was ist zu tun?

Grenzen setzen

Beim Grenzen setzen geht es darum, eigene Bedürfnisse zu identifizieren und alles dafür zu tun, dass sie erfüllt, auf jeden Fall aber von anderen respektiert werden.

1. Räumliche Grenzen

Die räumliche Abgrenzung ist das offensichtlichste, aber am leichtesten zu lösende Problem. Wer nur 50 Quadratmeter Wohnfläche hat, wird sich dabei schwerer tun als jemand, der sich Platz schaffen kann, zum Beispiel in einem extra Arbeitszimmer. Das gilt umso mehr für die, die Partner oder Familie haben, die zur gleichen Zeit den (an sich privaten) Raum beanspruchen.

TIPP: Kannst du ein Office in deinem Home einrichten? Was brauchst du an Technik und Ausstattung an deinem Heimarbeitsplatz? Sind Umbaumaßnahmen nötig? Sprich mit deinem Arbeitgeber, welchen Beitrag er dazu leisten kann, bzw. sprich mit deinen Mitarbeitern, was sie brauchen. Vielleicht ist es nur ein neuer Laptop, schnelleres Internet oder ein separater Tisch mit bequemem Sessel. Oder ist ein eigenes Zimmer notwendig? Womöglich ist ja ein Umzug denkbar?

2. Zeitliche Grenzen

Schwieriger wird es bei diesem Punkt. Fast jeder hat heute ein (Firmen-)Handy, checkt E-Mails und nutzt zig Apps, um zwischendurch schnell etwas zu erledigen. Vielfach schon morgens vor dem Zähneputzen oder abends kurz vorm Einschlafen, womöglich sogar am Wochenende. Dass die permanente Verfüg- und Erreichbarkeit langfristig nicht gutgehen kann, leuchtet ein. Auch „durchgetaktete“ Homeoffice-Tage, an denen zwischen 8 und 19 Uhr kaum Zeit für eine Pause ist, halte ich nicht für sinnvoll.

Mein TIPP ist klar: Es gehört unbedingt festgelegt, wann Mitarbeiter für ihre Vorgesetzten oder Kollegen erreichbar sein sollten – und umgekehrt ebenso. Außerdem rate ich zu einem Experiment: Versuche Online-Termine und -Besprechungen so kurz wie möglich zu halten; etwa nur eine halbe oder Viertelstunde statt einer ganzen. Ein 15-Minuten-Gespräch kann aus meiner Erfahrung sehr effektiv sein, weil keine Zeit für Nebensächlichkeiten bleibt. Die gewonnene Zeit kann stattdessen in die eigene Arbeit, persönlichen Austausch und körperliche Bedürfnisse wie Sport oder Erholung fließen. Das fördert die Produktivität, das Teamgefühl und jedenfalls das Wohlbefinden der Einzelnen.

3. Persönliche Grenzen

Persönliche Abgrenzung bedeutet nichts anderes als die eigenen Grenzen selbst zu bestimmen. Wie viel kann ich in welcher Zeit leisten, was brauche ich, um gut arbeiten zu können? Wir alle haben individuelle Grenzen, aber nicht jeder kann sie gleich gut definieren. Am schwersten fällt das Menschen, die es vom Typ her allen recht machen wollen. Sie stellen ihre Bedürfnisse hinten an bis sie sie irgendwann gar nicht mehr spüren. Wer zum Beispiel immer für Überstunden bereit steht, vernachlässigt damit wahrscheinlich sein Bedürfnis nach Erholung.

TIPP: Es geht hier nicht um das Gefühl der Betreffenden, sondern um das Ergebnis! Wer seine persönlichen Grenzen nicht gut wahren kann, richtet nämlich nicht nur sein Verhalten nach anderen aus, sondern auch die Gefühle. Das verhindert den offenen Austausch über BedürfnisseAußerdem können diese Menschen eine Fremdbestimmung empfinden, die es de facto gar nicht gibt. Die Arbeit im Homeoffice verlangt aber genau das Gegenteil: Selbstbestimmung und – organisation.

Homeoffice ist Chefsache

Aus meiner Sicht sind Arbeitgeber, Firmenchefs und Unternehmer in der Verantwortung, ganz klare Vorgaben für das Homeoffice zu machen. Das bedeutet nicht, über die Mitarbeiter zu verfügen. Sprich, ihnen die eigenen Grenzen aufzuzwingen und sie dann ihrem Schicksal zu überlassen. Als Führungsperson machst du stattdessen einmal deine Grenzen klar. Dann gleichst du sie mit jenen deiner Mitarbeiter oder deines Teams ab und ermöglichst individuelle Lösungen.

Es geht vorrangig um die Bedürfnisse im Hinblick auf Arbeitsablauf und -ergebnisse. Kommst du beispielsweise damit klar, länger als 24 Stunden niemanden zu erreichen? Kannst du dulden, dass Konflikte über E-Mail ausgetragen werden, oder möchtest du solche Dinge persönlich besprochen wissen? Und schließlich: Wie gut kannst du die Aspekte „Home“ und „Office“ auseinanderhalten, dich also persönlich abgrenzen und das bei anderen akzeptieren, selbst wenn die Grenzen im Homeoffice verschwimmen?

Fazit

Es gibt viele Gründe dafür, warum Homeoffice in dem einen Fall sofort und auf Dauer gut klappt, im anderen aber zum Scheitern verurteilt ist. Man sollte sie sich bewusst machen und darüber reden. Über die Voraussetzungen, über Bedürfnisse und vor allem über Grenzen – in Raum, Zeit und persönlicher Art.

Das ist notwendig, damit die Bedürfnisse aller Beteiligten wahrgenommen und erfüllt werden können. One-fits-all-Lösungen gibt es für die Arbeit im Homeoffice nicht, das funktioniert nicht. Aber wenn die Rahmenbedingungen klar sind, was, wofür und für wen wichtig ist, dann ist der Rest fast ein Kinderspiel, keine Schwerstarbeit.

In diesem Sinne viel Spaß und Erfolg in eurem Homeoffice. Berichtet mir gern eure Erfahrungen, per E-Mail oder telefonisch, das interessiert mich sehr!

Hast du schon in meinen Podcast reingehört?